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Auf ein Bier mit… Ghostkid

Jetzt erzählt er seine eigene Geschichte. Sebastian Biesler, alias Sushi, verlässt Anfang des Jahres nach zehn Jahren Bandgeschichte Eskimo Callboy, um sich seinem eigenen Projekt GHØSTKID zuzuwenden. Erste Auskopplungen wie ‘START A FIGHT’ oder ‘SUPERNØVA’ mit Marcus Bischoff von Heaven Shall Burn, die wir über die letzten Monate zu hören bekommen haben, klangen bereits vielversprechend. Seit dem 13. November, der passenderweise auch noch ein Freitag war, ist das selbstbetitelte Debüt nun draußen. Wem Eskimo Callboy immer ein bisschen zu fröhlich gestimmt war, der sollte unbedingt mal reinhören! Anstelle der typischen Partyhits treten mitunter düstere Lieder mit ungewohnter Ernsthaftigkeit auf, das gesamte Projekt ist schlüssig konzipiert und begeistert nicht zuletzt durch die aufwendig produzierten Musikvideos. Die dazugehörige Tour wird im April starten – sofern es Corona zulässt. Wir wollten nicht so lange warten und treffen GHØSTKID im Online-Meeting auf ein Bier…

Sushi: Da muss ich jetzt die nächsten zwei Jahre durch, das ist schon okay (lacht). Aber du hast das schon sehr gut beschrieben! Ich konnte mich mit dem, was wir da gemacht haben, nicht mehr identifizieren. Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich einen Ausgleich brauche, weil mich das wirklich überhaupt nicht mehr happy gemacht hat. Das war der Punkt, an dem ich dann angefangen habe, wieder selber Songs zu schreiben. Und dann ging diese Achterbahnfahrt im Kopf los: Eskimo ist mein Job, macht mich aber nicht mehr happy, dann habe ich jetzt die Geschichte mit GHØSTKID, die mich gerade sehr glücklich macht, aber nicht mein Job ist, also wie bezahle ich meine Miete, wo fange ich an, wie wird’s überhaupt aufgenommen?

Ich bin aber eigentlich immer zum selben Entschluss gekommen: Ein Kompromiss macht dich am Ende des Tages nicht glücklich und wenn du das jetzt nicht probierst, dann wirst du wahrscheinlich nie herausfinden, wo es hingeht. Eskimo Callboy wurde etwas, das nicht mehr dem entsprochen hat, warum ich angefangen habe, Musik zu machen und ich wollte einfach dieses Gefühl wieder haben.

Sushi: Absolut! Ich konnte mich dieses Mal auch wirklich austoben, weil ich alleine für alles verantwortlich bin und meine Vision, die ich habe, bis zum Ende hin verfolgen konnte. Das ist natürlich nochmal eine komplette Umstellung, wenn du das selber machst und dir das sehr viel bedeutet. Es ist auch krass, weil du mit so vielen Dingen konfrontiert wirst, die du vorher gar nicht gesehen hast! Aber ich bin super happy, wie sich das alles entwickelt hat und auf was für einem Stand das jetzt gerade ist. Im Prinzip ist es total aufgegangen, was ich mir da erhofft habe.

Sushi: Das ist eigentlich gar nicht so schwer… Wie soll ich das sagen? Okay es ist vielleicht doch schwer (lacht). Also ich würde sagen, GHØSTKID ist auf jeden Fall erstmal eine ganze Ecke persönlicher, weil einfach keine Band dahintersteht, sondern alles auf meinem Mist wächst. Bei Eskimo ist aber auch das Gesamtkonzept ein völlig anderes und es ist natürlich insgesamt eine Band, die mehr diesen Partyfaktor repräsentiert.

GHØSTKID ist ein ernstes Projekt, bei dem es um viele Thematiken geht, die mich beschäftigt haben und mir Aussage und Authentizität sehr wichtig sind. Party ist schön und gut, das habe ich zehn Jahre gemacht. Jetzt erzähle ich aber meine eigene Geschichte. GHØSTKID, das bin ich! Ich glaube das ist der Unterschied.

Sushi: Das ganze Album ist relativ unterbewusst entstanden. Ich hatte da irgendwie eine Idee im Kopf, wie ein Chorus klingen könnte. Und dann fing dieser Prozess an, darüber nachzudenken: Okay was will ich mir jetzt damit sagen, dass ich diese Idee in meinem Kopf habe? Das klingt immer so ein bisschen spirituell oder vielleicht auch gestört, ich weiß es nicht (lacht). Aber es ist wirklich so, dass da was ist, das raus will und dadurch, dass diese Zeit wirklich eine Achterbahnfahrt war, haben sich die Songs irgendwie von selber geschrieben. Deshalb gibt es zum Beispiel auch keinen wirklich roten Faden.

Sushi: Die Message vom Song war mir wichtig! Es geht ja darum, dass das Showbiz eine sehr dunkle Seite hat, was den meisten Leuten gar nicht bewusst ist. Das erste Feature, das stand, war der Timmy. Trailerpark sind ja nicht unbedingt repräsentativ für ernste Themen, deswegen fand ich es super geil, dass gerade der Timmy so einen ernsten Text hingezimmert hat! Ich wollte die Message aber auch international verbreiten und da sich zu der Zeit der Kontakt zu Hollywood Undead aufgetan hat, habe ich einfach mal die Gelegenheit genutzt und angefragt.

Ich bin sowieso ein großer Fan von Features, weil es immer eine weitere Komponente ist, die dazu kommt und ich finde, das macht einen Song interessanter. Und bei diesem Song ging es mir darum, dass zwei unterschiedliche Künstler ihre eigene Geschichte zu der Thematik erzählen können. Deshalb haben beide jeweils den zweiten Vers bekommen, damit beide Raum haben, ihre Story zu erzählen.

Sushi: Ich würde sagen ‘YØU & I’. Der Song hat mir immer viel bedeutet und das ist der erste, den ich für GHØSTKID, beziehungsweise damals noch für eine andere Band geschrieben habe. Den habe ich dann mitgenommen und komplett neu arrangiert. Das war aber auch so ein Song, den ich nie so richtig verstanden habe. Ich hatte da immer so ein paar Fetzen, wusste aber noch gar nicht, worum es geht.

Im Nachhinein weiß ich, dass es in diesem Song für mich um meinen Dad geht. Der hatte vor geraumer Zeit einen relativ krassen Herzinfarkt und wurde ins künstliche Koma versetzt. Du sitzt neben dem Bett und versuchst dieser Person irgendwie zu helfen, du bist einfach da und obwohl dich die Person nicht aktiv wahrnimmt, fühlt es sich so an, als würde man diesen Prozess zusammen durchgehen. Das ist die Thematik zu ‘YØU & I’, dass du im Prinzip mit einer Person so verbunden bist, dass man zusammen durch dieses Koma marschiert.

Sushi: Das ist eigentlich genau auf den Punkt gebracht. GHØSTKID ist eine Art Alter Ego, beziehungsweise eine andere Seite von mir, der ich dadurch jetzt Gehör verliehen habe. Ich erzähle im Prinzip die Geschichte von meiner Seite, deshalb spiele ich auch alle Rollen selbst.

Sushi: Eine große Inspiration waren immer Bring Me The Horizon. Die Art und Weise, wie sie etwas umsetzen. Man weiß nie, was man zu erwarten hat, jeder Song klingt immer irgendwie anders und total frisch. Die machen ja auch was sie wollen, erfinden sich mit jeder neuen Single selbst. Mal abgesehen davon, dass ich das Songwriting total gut finde und super viele Lieblingssongs von ihnen habe.

Ansonsten hat mich schon immer Marilyn Manson sehr inspiriert. Auch weil mich das Gesamtkunstwerk, was es damals war, sehr angesprochen hat und ich mich damit künstlerisch identifizieren konnte. Außerdem The Fever 333, weil die total roh, aggressiv aber irgendwie auch poppig sind. Für mich ist das eine sehr authentische Band.

Sushi: Also ich höre tatsächlich alles querbeet, weil ich der Meinung bin, dass ein guter Song in jedem Genre stattfinden kann. Wenn ich jetzt ein paar Künstler nennen müsste, wären das wieder Bring Me The Horizon und Marilyn Manson. Aber auch Billie Eilish find ich super, Halsey, Machine Gun Kelly ist jetzt Blink 182, von daher finde ich es auch wieder gut. Da passiert gerade ganz viel in der Musiklandschaft!

Sushi: Überrascht hat mich wirklich Machine Gun Kelly. Wenn du dir gewünscht hast, dass das alte Blink 182 wieder zurückkommt, dann ist das jetzt Machine Gun Kelly. Die Platte ist wirklich gut geschrieben und ich glaube, das hat mich sehr überrascht. Ansonsten die neue EP von Bring Me The Horizon. Ich muss sagen, ich finde nicht alles gut, aber die Singles sind mega geil. Das war aber auch zu erwarten für mich.

Sushi: Das ist sehr gut formuliert, ich dachte jetzt kommt „mit welcher Band würdest du gerne mal auf Tour gehen?“ (lacht). Mit Marilyn Manson. Ich möchte auch kein Autogramm, kein Foto, gar nichts, ich möchte nur mal mit ihm einen Kaffee trinken, es muss also nicht mal ein Bier sein. Einfach um zu wissen, wie er ist. Ich glaube, der ist total weird. So ein Mensch, der dich erstmal komplett verwirrt und dann nach acht Wochen hast du das erste ernste Gespräch und merkst dann, dass das eigentlich ein cooler Typ ist.