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The Power of Women – Sängerinnen im deutschen Metal

Laura von Tex Avery Syndrome
Laura von The Tex Avery Syndrome, Foto: juliekeyphoto.

Gerade die Corona-Zeit hat uns immer wieder gezeigt, dass Frauen ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Gesellschaft sind. In den systemerhaltenden Berufen sind es doch vor allem Frauen, die unsere Gesellschaft zusammenhalten und der Krise entgegenwirken. Also sollen heute die Frauen im Fokus unseres Artikels stehen und wir wollen uns vor allem mal deutsche Metal Bands mit Frontsängerinnen anschauen.

Auch in der Metal-Szene gibt es starke Frauen, die an der Front einer Band stehen. Wir haben uns mit vier dieser Frauen unterhalten und durften erfahren, wie es ist, die Frontsängerin einer Metal-Band zu sein und warum es davon noch viel mehr geben sollte. Außerdem haben wir darüber gesprochen, was die Bands in der Corona-Zeit so machen und was wir von Ihnen erwarten können. Also seid gespannt!

Statistik systemerhaltende Berufe
Quelle: https://wienerin.at/statistik-es-sind-frauen-die-unsere-gesellschaft-der-krise-aufrecht-erhalten-und-auch-sonst

Vier Frontsängerinnen im Interview

Wie wir in einem der letzten Artikeln schon aufgegriffen haben, ist natürlich auch die Metal-Szene stark von Covid-19 betroffen. Umso spannender war es, im Interview direkt von den Sängerinnen zu erfahren, wie sie die Einschränkungen wahrnehmen. Dazu sagt Laura Gierl (The Tex Avery Syndrome): “In erster Linie vermissen wir vor allem unsere Proben zusammen und das generelle Musik machen. Wir hatten für dieses Jahre einige coole Shows in der Pipeline, darunter auch unsere ersten internationalen Shows. Das macht uns natürlich traurig, aber das Faire an der Situation ist, dass wir alle im selben Boot sitzen.“ Dass alle im selben Boot sitzen, wird auch dadurch deutlich, dass alle Sängerinnen in unserem Interview über die verlorenen Proben und Auftritte klagen. Besonders schmerzhaft ist es für Anika ov Moseberg und ihre Band Virocracy, die ihre Releaseparty für das neue Album IRRADIATION absagen mussten. Doch das Ganze habe auch etwas Positives: Alle nutzen die Zeit, um an neuen Songs zu arbeiten!  „(…) wir haben die Situation sofort von einer anderen Perspektive gesehen. Wir haben uns verstärkt auf unsere Kreativität fokussiert und auf diese Weise das Tempo der Vorbereitungen für das neue Album erhöht. Also ja, wir arbeiten an neuer Musik. Jeder hat seine eigene Favoriten in der Metal-Szene und auch verschiedene kulturelle Hintergründe. Unsere Unterschiede kreieren unseren eigenen Sound“, so Secil Sen (Thwart).

Sängerin Steffi von Mission in Black
Sängerin Steffi von Mission in Black. Foto: Jochen Martin (Facebook)
Laura von Tex Avery Syndrome
Sängerin Laura von The Tex Avery Syndrom. Foto: Juliekeyphoto (Instagram)
Sängerin Secil von Thwart
Secil von Thwart. Foto: Evran Öztürk Visual (Facebook)
Sängerin Anika von Virocracy
Anika von Virocracy. Foto: Facebook

Wir haben außerdem über die musikalischen Einflüsse und über Bands, die ihren Werdegang geprägt haben gesprochen – während The Tex Avery Syndrome hier Lamb Of God anführen, geben Virocracy beispielhaft gleich vier Bands an: Obscura, Revocation, Gojira und Alkaloid. Interessant ist auch die Mischung, die Steffi von Mission in Black nennt: „Uns kann man nicht in ‘die Eine’ Schublade stecken, sondern in unseren Songs kommen verschiedene Stilelemente vor, was das Ganze auch  abwechslungsreich gestaltet. Andy unser Drummer liebt zB. Arch Enemy, Dani unser Gitarrist steht voll auf Pantera und ich zB. auf Korn oder Behemoth. Ich denke, jeder Einzelne von uns prägt einfach eine spezielle Zeit der Musik und aus  dieser Vielfalt versuchen wir dann unseren eigenen Sound zu kreieren.“

Metal bei The Voice Of Germany – Steffi von Mission in Black begeistert das Publikum

Manchen ist an dieser Stelle vielleicht schon aufgefallen, dass unter den Interviewten eine (Ex-) The Voice Of Germany-Kandidatin ist: Stefanie Stuber von Mission in Black. 2019 durfte sie als Kandidatin dort die Show bereichern und hat mit ihrer facettenreichen Stimme und kraftvollem Auftreten die Menschen begeistert. Dass Steffi in der Blind Audition einen Song von Lamb of God raushaut, hat gleichermaßen für Begeisterung und aufgeschreckte Gesichter gesorgt. Doch obwohl sie damit sicher nicht das populärste Genre der Show bedient, hat sie sich unter den Kandidaten und dem Voice of Germany-Team sehr wohl gefühlt: „Jeder Tag war einfach richtig genial und spannend! Es haben sich dadurch auch ein paar richtig schöne Freundschaften entwickelt. Das Genre war dort vollkommen egal.“

Warum gibt es so wenige Metal-Bands mit einer Frontfrau?

Dass Metal-Sängerinnen insgesamt eher selten seien, nehmen die Sängerinnen hier tendenziell anders war. Dazu meint Anika: „Ich denke, da muss man unterscheiden, um welches Genre es geht… Bands mit Frontfrauen mit Cleangesang (zum Beispiel im Symphonic Metal)  gibt es viel häufiger als im Extreme Metal mit gutturalem Gesang. Klar, es gibt auch weniger weibliche Fans als männliche; und generell weniger Metal-Musikerinnen… ich denke trotzdem nicht, dass es an Interessentinnen mangelt. Ich könnte mir vorstellen, dass viele sich nicht an diese Gesangsform herantrauen? Also falls das so ist, kann ich sagen: go for it, es lohnt sich!“ Auf ähnliches geht auch Laura ein: „Außerdem kann es gut möglich sein, dass Frauen eventuell zu verkopft sind, sich zu viele Gedanken machen oder sich nicht trauen. Nicht zuletzt stülpen die Medien und die Gesellschaft eh schon ein Bild über die Frau, wie sie zu sein hat. Eine Zeit lang habe ich mir auch sehr viele Gedanken gemacht, am Ende hat alles irgendwie mit Loslassen zu tun.“ Secil ergänzt, es gäbe zwar viele Metal-Bands mit Front-Sängerinnen, allerdings seien die einfach nicht so bekannt, wie vergleichbare Bands mit männlichen Sängern – es ist also auch eine Sache des Business.

Zu der Frage, ob es mehr Frontsängerinnen geben sollte, sind sich alle einig. „Diversität ist immer gut, egal in welchem Bereich“, sagt Laura. Spannend ist auch die Antwort von Anika, die betont, dass es grundsätzlich genderunabhängig sein sollte und einfach jeder die Musik machen sollte, die er möchte: „Die Qualität der Musik hängt von einer guten Stimme ab und ob sie gut zum Stil der Band passt, nicht vom Geschlecht des Sängers. Gerade, wenn es (wie bei uns) um gutturalen Gesang geht, halte ich die Unterscheidung eher für überflüssig. Aus diesem Grund bezeichnen wir uns selber auch nicht als ‘female fronted’ – danach sollen wir nicht beurteilt werden und der Begriff kann schon mal zu Vorurteilen (auch unbewusst) führen. Unsere Musik ist absolut vergleichbar mit anderen Bands des Genres. Wir machen Death Metal. Punkt.“

Man könnte meinen, als weibliche Frontsängerin profitiert man vielleicht von Vorteilen – oder gibt es da eventuell sogar eher Nachteile? Hervorgehoben wird, dass die Frauen viele Komplimente bekommen, sei es wegen des Growlings oder auch wegen der Outfits. Steffi von Mission in Black sagt, es gebe jedoch natürlich auch die Sichtweisen, dass es nur dann richtiger Metal ist, wenn ein Mann „schreit“. Ein anderer Punkt wird von Laura angesprochen. Frauen ständen oft stärker im Fokus – während Männer sich eher mal einen Fauxpas leisten können.

Gibt es weniger Sexismus in der Metal-Szene?

In Szenen wie zum Beispiel der Hip-Hop-Szene werden Frauen immer wieder mit sexistischem Verhalten und Äußerungen konfrontiert. Doch wie ist eigentlich insgesamt der Umgang mit Frauen in der Metal-Szene? Hier haben die vier Sängerinnen weitgehend nur positive Erfahrungen gemacht. Es gäbe zwar klar auch negative Beispiele, aber „das gibt es ja in jeder Szene”, so die Sängerin von Virocracy. Tex Avery Syndrome Sängerin Laura empfindet außerdem die Männer der Metal-Szene als weniger aufdringlich.

Zuletzt durften wir noch erfahren, auf was sich die Sängerinnen dieses Jahr am meisten freuen. Hier möchten wir euch natürlich keine Antwort vorenthalten:

Wir bringen ein neues Musikvideo raus, darauf freuen wir uns. Vielleicht sogar schon einen neuen Song. Und wenn vielleicht doch noch die ein oder andere Show erlaubt ist, dann geht es rund.

Wir freuen uns darauf, neue Songs für ein zweites Album zu schreiben und im Herbst eventuell wieder auf der Bühne zu stehen, wenn möglich. Ansonsten legen wir uns mit unserer Planung für 2021 voll ins Zeug.

Wenn die Corona Krise vorbei ist und wir endlich wieder auf die Bühne dürfen, um live zu spielen und unsere Fans wieder zu sehen. Das vermissen wir alle wirklich unheimlich!

Wir freuen uns dieses Jahr besonders auf das erste Konzert nach Corona, an dem wir teilnehmen können!

Vor allem ist also die Vorfreude auf die ersten Gigs präsent. Aber so geht es wahrscheinlich den meisten von uns – endlich wieder Live-Konzerte!

Wir bedanken uns bei den Sängerinnen von The Tex Avery Syndrome, Virocracy, Thwart und Mission in Black, die mit ihren ausführlichen und interessanten Antworten unseren Artikel bereichert haben. Da solltet ihr unbedingt mal reinhören! In Anikas Worten: „Go for it, es lohnt sich!“