Modern Metal Germany > Allerlei > Bildungsstand: Metalhead! – Wir nehmen die Wacken Metal Academy unter die Lupe

Bildungsstand: Metalhead! – Wir nehmen die Wacken Metal Academy unter die Lupe

Eine Schule, an der Metal unterrichtet wird, klingt erst mal nach „School of Rock“-Utopie. Im Oktober dieses Jahres aber öffnet eine solche Schule zum ersten Mal ihre Tore – und das nicht im Kino, sondern in Hamburg! Die Wacken Metal Academy, bei der man eine zweijährige Berufsausbildung zum Metalmusiker machen kann, ist die weltweit erste ihrer Art. Sie gibt jungen Metalheads die Möglichkeit, ihrer Leidenschaft zu folgen und dabei eine anerkannte Berufsausbildung zu absolvieren. Wir durften mit dem Schulleiter Helge Zumdieck sprechen, um mehr darüber zu erfahren.

Die Idee für den Ort, an dem man künftig zusammen mit seiner Gitarre die Schulbank drücken darf, kam schon vor einiger Zeit auf. Helge Zumdieck, der auch Schulleiter der Hamburg School of Music ist, erinnert sich: „Vor einiger Zeit hatte ich die Freude, die Gründer des legendären Wacken Open Air Holger Hübner und Thomas Jensen kennenzulernen. […] Im Laufe unseres gemeinsamen Gesprächs waren wir uns schnell darin einig, dass es eine Akademie für professionell ambitionierte Metal-Musiker geben müsste. Dies war die Geburtsstunde der Wacken Metal Academy.“

Ein simples Konzept mit großem Effekt

Die Umsetzung der Idee ist dabei so einfach wie genial: Die Ausbildung findet in den Räumen der Berufsfachschule der Hamburg School of Music statt. Unterrichtet wird von einigen langjährig erfahrenen Dozenten der School of Music sowie externen Wunschdozenten, die zusammen ein umfangreiches Feld verschiedener Musikbereiche abdecken. Ein Blick auf die Dozentenliste auf der Homepage zeigt Spezialisierungen von Jazz bis Popularmusik.

Inwiefern das für eine Ausbildung zum Metalhead relevant ist, erklärt Zumdieck folgendermaßen: „Im Bereich Metal sind viele Strömungen vertreten. Zum Beispiel sind die Bereiche Jazz und Metal nicht so weit auseinander, wie man vielleicht denkt. Der Jazzgitarrist Allan Holdsworth zum Beispiel ist ein Idol für viele Metalgitarristen. Ebenso finden sich Elemente aus der europäischen Klassik in vielen Bereichen des Metal wieder.“ Zum Lehrplan gehören neben dem Gesangs- und Instumentalunterricht auch Fächer in Musikbusiness, Self Management oder Bandtraining.

Pressekonferenz zur Gründung der Wacken Metal Academy
Pressekonferenz zur Gründung der Wacken Metal Academy

Praxis vom Acker

Das besondere an der Wacken Metal Academy ist jedoch, ihr ahnt es vielleicht schon, der enge Kontakt zum Wacken Open Air. So heißt es in der Pressemitteilung: „Durch die Unterstützung von Wacken erhalten die Auszubildenden an der Wacken Metal Academy Zugang zum größten Metalnetzwerk der Welt und werden Teil einer weltweiten Musikergemeinde.“ In der Praxis heißt das unter anderem, dass Workshops mit versierten Gastdozenten aus der Szene angeboten und enge Kontakte zum Festival gepflegt werden. Man denke hier auch an die Wacken Foundation und das Wacken Music Camp, welche junge Musiker schon seit vielen Jahren fördern.

Für Holger Hübner, einer der beiden Wacken-Gründer, ist die gelungene Kooperation aber auch auf die gemeinsamen Werte zurückzuführen: „Wacken ist Metal-Geschichte. Ein Dorf wird zur Marke & Metropole! Und an der Wacken Metal Academy entstehen die Kapitel der nächsten Metal Generation. Wir in Wacken teilen die gleichen Werte wie die Hamburg School of Music: Leidenschaft zur Musik, Kreativität, harte Arbeit, Gemeinschaft, Exzellenz. Von diesen Werten lebt unser Festival seit 30 Jahren. Dieser Spirit findet sich auch an der Metal Academy. Laut – Ehrlich – Authentisch!“

Probieren im Studieren

Vor allem laut wird es werden, denn Praxis wird an dieser Schule großgeschrieben. So kann man sich im Hauptfach für Gesang, Schlagzeug, Gitarre, Bass, Piano/Keys oder auf Anfrage auch weitere Instrumente festlegen, um diese dann im Einzelunterricht (!) zu perfektionieren. „Der wöchentliche Einzelunterricht erlaubt eine sehr persönliche Entwicklung – somit auch Spezialisierung auf bestimmt Unter-Genres wie zum Beispiel Death-, Power-, Prog- oder Thrashmetal,“ so Schulleiter Zumdieck. Für den Überblick sorgt der einheitliche Stundenplan, der den Schulalltag organisiert. „Fächer wie zum Beispiel Songwriting, Recording, Harmonielehre, Gehörbildung, Music & Business etc. werden in Klassenverbänden unterrichtet. […] Die breite stilistische Bandbreite der Bandtrainings bildet dazu die vielfältigen Strömungen und Entwicklungen des Metal ab.“

Die Klassen beschränken sich zunächst auf 20 Personen pro Semester, damit auch im Klassenverband ein persönliches Arbeiten garantiert werden kann. Wer nach der Schule immer noch nicht genug hat, kann auch in seiner Freizeit in den von der Schule gestellten Proberäumen weiterüben. Das klingt doch fast zu schön, um wahr zu sein, oder?

Wo ist der Haken?

Wir mussten eine Weile danach suchen und können vorweg schon mal spoilern, dass es (fast) keinen gibt. Die Aufnahmeprüfung scheint zwar nichts für Spontanentschiedene zu sein, denn egal, für welches Ausbildungsformat man sich entscheidet, es müssen immer drei Songs, darunter auch ein selbstgeschriebener, präsentiert werden. „Bewirbt man sich für die Teilnahme am Vorbereitungsjahr, so bleibt es bei dieser praktischen Prüfung. Bewirbt man sich für die Teilnahme an der zweijährigen Vollzeitausbildung, so muss zusätzlich ein theoretischer Test bestanden werden. Hier geht es um die sogenannte Funktionsharmonik. D.h.: Bestimmung von Tonarten, Intervallen, Drei- & Vierklängen, außerdem Stufen- und Rhythmusdiktat,“ erklärt uns der Schulleiter im Interview.

Bei einer Klassengröße von nur 20 Personen könnte sich diese Aufnahmeprüfung für manch einen als zu große Hürde herausstellen. Wir glauben aber, dass all jene, die es wirklich wollen, auch schaffen. Anders sieht es mit der Finanzierung aus. Denn mit stolzen 590€ pro Monat wird die Ausbildung zum sprichwörtlich teuren Spaß. Zwar ist die Ausbildung durch ein nicht rückzahlbares Schüler-BAföG gefördert, ob damit Lebens- und Studienkosten gedeckt werden können, bleibt aber fraglich.

Workshop mit Linus Klausenitzer
Workshop mit Linus Klausenitzer

Fazit

Wir halten die Wacken Metal Academy für die geniale Ausführung einer längst überfälligen Idee. Die hohen Kosten sollten an dieser Stelle nicht abschrecken, zumal die im Preis enthaltenen Leistung, wie Einzelunterricht, Workshops mit versierter Szene-Prominenz, Bereitstellung von Proberäumen und die engen Kontakte zum größten Festival Deutschlands, alles andere als üblich sind. Und wer die Ausbildung zu Ende bringt, darf sich nach zwei Jahren „professioneller Musiker im Bereich Metal“ nennen.

Für die Zukunft der Schule aber auch für den Metal selbst hat Helge Zumdieck zum Abschluss ein paar schöne Aussichten formuliert, die vor allem in diesen Zeiten motivieren: „Es gibt wohl kaum eine Musik-Szene, die so beständig ist, sich dabei immer wieder verjüngt und weltweit so viele Fans aller Generationen begeistert. Wacken mit seinen jährlich 85.000 Besuchern ist das beste Beispiel dafür. Und: die Szene lebt wie kaum eine andere von Live-Konzerten. Wir machen uns um unsere Zukunft keine Sorgen!“

Interesse?

Aufgrund von Corona wurde die Bewerbungsfrist auf den 1. September verschoben, das Semester startet jedoch regulär am 1. Oktober. Weitere Informationen findet ihr auf der Homepage: https://www.wacken-metal-academy.com/